Chemische Stoffe : Coffee to go – Wenn Gift im Pappbecher steckt - WELT

2022-09-03 10:42:28 By : Ms. Swing Chan

G egenüber meines Büros gibt es einen Laden mit wirklich gutem Cappuccino. Doch seit einigen Tagen betrete ich den Laden morgens mit einem mulmigen Gefühl. Ich sorge mich um meine Gesundheit. Es ist mir unangenehm, das zuzugeben, aber ich sorge mich leicht um meine Gesundheit. Es gibt Leute, die mich für einen Hypochonder halten.

An meiner neuen Sorge ist ein Kollege schuld. Als er mich neulich mit einem Cappuccino im Pappbecher sah, riss er seine Augen auf. Ob ich das jeden Tag mache? Er könne mich da nur warnen. Das ganze Gift! Er meinte nicht den Kaffee, sondern den Becher. Die Pappe, der Plastikdeckel, das stecke alles voll mit schlimmer Chemie.

Wissenschaftsjournalisten sind Spaßverderber, dachte ich. Dann rief ich Jane Muncke in Zürich an. Sie leitet dort eine Stiftung, die sich mit der Sicherheit von Lebensmittelverpackungen beschäftigt, und zählte mir die Stoffe auf, die im Kaffeebecher stecken.

Besonders bedenklich seien die perfluorierten Polymere in der Beschichtung der Pappe, die sich nur langsam wieder im Körper abbauen, sagte sie. Die Plastikdeckel seien meist aus Polystyrol, in dem Material steckten wiederum Stoffe, die sich auf den Hormonhaushalt auswirken könnten.

Könnten, tja, was heißt das genau?

Jane Muncke ist Umweltwissenschaftlerin, mit einer Ausbildung auch in Chemie. Wie gefährlich all diese Stoffe wirklich sind, das sei tatsächlich umstritten unter Forschern. Die Herstellung von Plastik sei komplex, erklärte Muncke mir, „in jedem sind auch unbekannte Stoffe.“

Wer zur Sorge neige, solle aber vielleicht nicht ausgerechnet heiße Getränke mit einem gewissen Fettgehalt aus Wegwerfbechern trinken. In Hitze und Fett lösen sich Chemikalien besonders gern auf. Auch die aus der Druckfarbe, die sich in die Innenseite der Pappbecher reiben kann, wenn die Becher im Laden ineinander gestapelt lagern.

Leider seien auch die meisten der Becher, die man zum Wiederbefüllen im Coffee Shop kaufen könne, nicht unbedenklich. Meist sind auch diese Becher aus Plastik. Jane Muncke rät vor allem von durchsichtigem Plastik ab, das die Substanz Bisphenol A enthalten könne. Dieser Stoff wirke sich ebenfalls auf den Hormonhaushalt aus und ist deswegen in Deutschland für Babyfläschchen bereits verboten.

Helfen könne es, den Kaffee im Büro noch in einen Becher aus Keramik umzukippen, sagte Jane Muncke, „auch die Verweildauer im Einwegbecher erhöht die Migration“, also die Wanderung der möglicherweise ungesunden Chemie in meinen Cappuccino.

Ich habe mich dann noch beim Bundesinstitut für Risikobewertung erkundigt. Wie schlimm steht es um mich?

Materialien für den Lebensmittelkontakt, teilte man mir mit, dürfen bei normaler Benutzung gar keine Stoffe abgeben, „die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden.“ Die Hersteller müssten dafür sorgen, man prüfe das in Stichproben.

Es gibt also kein Gift in meinem Kaffee, weil das ja gar nicht erlaubt wäre. Das ist eine Antwort, die meine hypochondrische Seite gleich ein wenig stärker hervortreten lässt.

Jane Muncke aus Zürich trinkt übrigens lieber Tee, auch unterwegs. Sie hat sich einen Edelstahl-Thermobecher besorgt, der von innen gar nicht beschichtet ist, kleiner Tipp für Hypochonder.

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