Thermisches Entgraten von Medizinprodukten

2022-08-27 04:29:17 By : Ms. Ling Liu

Spanend bearbeitete Kunststoffkomponenten mit komplexen Geometrien werden häufig noch manuell entgratet. Sofern dies überhaupt möglich ist, lassen jedoch Reproduzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu wünschen übrig. Das thermische Entgraten (TEM) mit einer speziell für Kunststoffteile entwickelten Anlage ermöglicht es, Grate auch in schwer zugänglichen Bereichen wie Innenbohrungen schonend und kostengünstig zu entfernen. Der Prozess findet im Vakuum statt. Ein Hersteller von Medizintechnik-Produkten nutzt diese Technologie zum Entgraten von PP-H-Komponenten.

Bauteile aus PMMA lassen sich mit TEM nicht nur entgraten, sondern auch thermisch polieren. Trübe Bereiche, die beispielsweise durch eine spanende Bearbeitung entstanden sind, werden dadurch wieder durchsichtig.

In der speziell für das Entgraten von Kunststoffteilen entwickelten TEM-Anlage ist die Explosionsenergie bei gleichem Fülldruck der Kammer nur etwa halb so stark. Die dadurch schonendere Entgratung erweitert das Spektrum der bearbeitbaren Kunststoffe deutlich. (Bildquelle: alle ATL Anlagentechnik Luhden)

Grate, die nach der spanenden Bearbeitung am Werkstück verbleiben, stellen unter ergonomischen und funktionalen Aspekten ein Risiko dar und müssen daher entfernt werden. Aber nicht jeder Grat befindet sich an einer leicht zugänglichen Stelle. Insbesondere bei Teilen mit komplexen Geometrien wie Innen- und Querbohrungen, Hinterschneidungen sowie Nuten stoßen mechanische und manuelle Verfahren schnell an Grenzen. Die hohen Anforderungen an die Prozesssicherheit und Reproduzierbarkeit in der Fertigung sowie an die Produktqualität lassen sich damit nicht erfüllen. Ganz abgesehen davon verursacht manuelles Entgraten hohe Kosten.

Die von ATL Luhden speziell für das thermische Entgraten (TEM) von Kunststoffbauteilen entwickelte Anlage I-TEM Plastics eröffnet hier neue Möglichkeiten. Mit diesem abtragenden Verfahren, das in der Metallindustrie etabliert ist, lassen sich bei Komponenten aus Thermoplasten innen- und außenliegende Grate selbst an sehr schwer zugänglichen Stellen entfernen.

Im Gegensatz zu klassischen TEM-Anlagen für die Metallentgratung wird bei I-TEM Plastics vor dem Entgratprozess ein Vakuum in der hermetisch verschlossenen Arbeitskammer erzeugt. Auf diese Weise kann mit einem deutlich geringeren Druck gearbeitet werden. Darüber hinaus kommt statt des üblichen Methan-Sauerstoff-Gasgemischs ein Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch zum Einsatz. Die Explosionsenergie ist dadurch bei gleichem Fülldruck der Kammer nur etwa halb so stark, so dass eine schonendere Entgratung stattfindet. Das Spektrum der bearbeitbaren Kunststoffe wird dadurch deutlich erweitert und umfasst unter anderem PMMA (Polymethylmethacrylat), POM (Polyoxymethylen), PA (Polyamid), PA-Guss, PUR (Polyurethan), ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), PE (Polyethylen), PP (Polypropylen), Silikon, Laser-Sinter-Werkstoffe, NBR und Viton. Bei Bauteilen aus Kunststoffen mit Glasfaseranteil schmilzt der Grat etwas mehr ab als die Glasfasern, so dass die Kante, mikroskopisch gesehen, zackig aussieht. Außerdem entsteht eine sehr rauhe Oberfläche. Das Verfahren ist bei diesen Werkstoffen nur bedingt anwendbar. Grundsätzlich lässt sich die Eignung durch Versuche im Testzentrum von ATL feststellen.

Bei einer Anwendung in der Medizintechnik erfolgt die Programmauswahl automatisch durch ein codiertes Lochblech am Korb.

Für das Entgraten werden die Werkstücke als Einzelteile oder Charge in der Arbeitskammer platziert, diese hermetisch verschlossen und das Vakuum erzeugt. Über ein Gasflow-Meter wird das teilespezifisch genau dosierte Gasgemisch in die Kammer geleitet. Im Vergleich zu herkömmlichen Gasdosierzylindern ermöglicht dieses System exakteres und wiederholgenaueres Dosieren. Außerdem werden alle Prozessdaten automatisch protokolliert, so dass eine lückenlose Dokumentation erfolgen kann.

Das Gasgemisch durchströmt das gesamte Bauteil beziehungsweise die komplette Charge. Nach der elektrischen Zündung entstehen kurzzeitig Temperaturen von 2.500 bis 3.000 °C. Der abzutragende Grat erreicht dabei seine Zündtemperatur, reagiert mit dem verbliebenen Sauerstoff und verbrennt vollständig und rückstandslos. Da dieser Prozess lediglich wenige Millisekunden dauert, erwärmen sich die Werkstücke nur unwesentlich. Die Gesamtzykluszeit beträgt üblicherweise weniger als drei Minuten.

Bauteile aus PMMA lassen sich mit TEM nicht nur entgraten, sondern auch thermisch polieren. Trübe Bereiche, die beispielsweise durch eine spanende Bearbeitung entstanden sind, werden dadurch wieder durchsichtig.

Neben der vollständigen und gleichmäßigen Entfernung aller Innen- Außengrate treten beim TEM-Entgraten von Kunststoffen weitere Effekte auf. So führt die Wärmeeinwirkung zu einer deutlichen Verbesserung der Oberflächenrauheit. Zusätzliche Polierschritte können dadurch häufig reduziert oder eingespart werden. An Bauteilen aus PMMA werden bei einer spanenden Bearbeitung entstandene, trübe Bereiche durch den TEM-Prozess wieder durchsichtig. Man spricht dabei auch von thermischem Polieren.

Eingesetzt wird das Verfahren seit rund vier Jahren unter anderem bei einem Hersteller medizintechnischer Produkte. Ziel des Unternehmens war es, die Entgratung unterschiedlicher, spanend hergestellter Kunststoffkomponenten aus Polypropylen (PP-H) in Innenbereichen prozesssicherer und wirtschaftlicher zu gestalten. Da durch diese Teile Flüssigkeiten geleitet werden, muss eine 100-prozentige Entgratung gewährleistet sein.

Während des Prozesses durchströmt das Gasgemisch die komplette Charge. Nach der elektrischen Zündung verbrennen abzutragende Grate vollständig und rückstandslos – die Bauteile sind sauber entgratet.

Ausschlaggebend bei der Entscheidung für I-TEM Plastics war einerseits die schonende Entgratung durch den geringeren Druck sowie die saubere Verbrennung. Andererseits hat eine Rolle gespielt, dass durch das Vakuum, das in der Arbeitskammer vor dem Entgratprozess erzeugt wird, keine luftgetragenen Fremdstoffe mehr vorhanden sind, die sich bei der Verbrennung negativ auf die Teileoberfläche auswirken könnten.

Die hohen Anforderungen in der Medizintechnik werden durch eine GMP-konforme Qualifizierung von Anlage und Prozess erfüllt. Dazu zählt, dass für die unterschiedlichen Komponenten Prozessparameter wie beispielsweise das Mischungsverhältnis von Wasserstoff und Sauerstoff definiert und als Bearbeitungsprogramm in der Anlagensteuerung hinterlegt wurden. Momentan arbeitet das Unternehmen mit zwölf Programmen. Jeweils 15 bis 20 Komponenten werden in beziehungsweise auf teilespezifischen Einlegern positioniert und diese wiederum in Körben platziert. Die Programmauswahl erfolgt automatisch durch eine an den Körben angebrachte, codierte Metallplatte, die beim Einschieben in die Anlage durch eine Lichtschranke gelesen wird.

ist Inhaberin der Agentur Schulz, Presse, Text in Korntal. Doris.schulz@pressetextschulz.de

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