Umweltschutz: Recup will Kaffee-Pappbecher überflüssig machen - WELT

2022-08-27 04:27:45 By : Ms. Carol Guo

„Hallo, hier ist der Florian“, meldet sich eine Stimme am anderen Ende der Telefonleitung. Der Chef geht also selbst ran. Es ist Florian Pachaly, 22, Mitgründer von Recup. Das Jungunternehmen hat es sich zur Mission gemacht, der Flut der Einweg-Kaffeebecher den Kampf anzusagen, indem es etwas dagegensetzt: den Mehrweg-Kaffeepott to go sozusagen.

Hamburger Einzelhändler steigen großflächig ein, der Senat hilft. Das Prinzip ist so schlicht wie wirksam: Recup verteilt Mehrwegbecher aus Kunststoff an Cafés und Kioske, die mitmachen, und kassiert von ihnen einen Euro Pfand pro Becher und sieben Euro Teilnahmegebühr pro Woche. Die Betriebe müssen sich im Gegenzug zum Spülen verpflichten. Die Kunden zahlen fürs Ausleihen einen Euro Pfand und geben den Becher nach Gebrauch irgendwo bei einem anderen (oder auch demselben) teilnehmenden Café zurück. Wo das genau ist, weiß eine App.

„Manchmal frage ich mich selbst, wieso eigentlich vor uns keiner auf die Idee gekommen ist“, sagt Pachaly. Seit Jahren fahren Umweltorganisationen Kampagnen gegen den Einwegbecher, während Umweltbewegte Keramikpötte in Rucksäcken schleppen. Robin Wood startete einmal eine Kampagne mit dem Titel „Rächer der Becher“.

Die Umwelthilfe trat letztes Jahr die Aktion „Becherheld“ los. Nach deren Angaben werden jährlich 2,8 Milliarden Pappbecher in Deutschland mit Kaffee gefüllt, ausgetrunken und weggeworfen – macht knapp 90 Stück pro Sekunde oder 320.000 Becher pro Stunde. Gemessen am gesamten Müllberg, den die deutschen Haushalte produzieren, sind die 31.000 Tonnen Kaffeebecher-Abfall zwar minimal – weniger als ein Promille –, doch liegen sie so überproportional hässlich in Parkanlagen und auf Kinderspielplätzen herum, dass viele Städte nach Alternativen suchen.

So wie jetzt Hamburg, wo die türkisfarbenen oder braunen Recup-Becher eingeführt werden. Bei 400 Kaffee-Anbietern seien die Behältnisse bereits untergebracht, so Pachalys Gründer-Kollege Fabian Eckert. Je dichter das Netz der teilnehmenden Betriebe ist, umso besser funktioniert das System natürlich.

„Ich muss meinen Becher nicht mitbringen. Er wartet auf mich“, preist Pachaly die Vorzüge. Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan von den Grünen sicherte bis zu 30.000 Euro Starthilfe zu, und die Cafés, Bäckereien, Läden und Kioske, die mitmachen, wollen das System mit Rabatten zwischen zehn und 30 Cent je Füllung in Schwung bringen.

Angeblich lassen sich die Plastikbehälter bis zu 500 Mal wiederverwenden. Sie bestehen aus Polypropylen, einem Material, das Verbrauchern in Form von Tupperware schon bekannt ist. Ein Problemchen gibt es aber doch: den Deckel. Es habe sich gezeigt, dass die meisten Nutzer schon einen Überschwappschutz wollten, aber bitte den eigenen. Ein passender Deckel kann gekauft werden, kostet 1,30 Euro und muss selbst gespült werden.

Die Gründer spekulieren auf eine Kombination aus abfallwirtschaftlichen Gewissensbissen der Koffeinfreunde und einem gewissen Spaßfaktor: „Wir wollen auch Lifestyle rüberbringen, das grüne Leben“, sagt Pachaly. Hamburg sei die elfte Stadt, die den Recup systematisch einführe.

Auch in Berlin und München, auf Sylt und in Oldenburg sei er zu finden. Daneben können natürlich auch einzelne Restaurant- oder Café-Besitzer als Einzelkämpfer einsteigen. Bundesweit seien jetzt 870 Cafés und andere Partner dabei, 370 mehr als noch zu Jahresbeginn, sagt Pachaly.

Mit etwa einem Dutzend weiterer Städte und Regionen führe Recup derzeit Gespräche über eine Einführung: „Rostock startet als nächste Stadt.“ Profitabel ist die junge Firma noch nicht – es wäre auch erstaunlich nach elf Monaten Geschäftstätigkeit. Immerhin hat es aber schon 15 Jobs geschaffen. Noch ist es daher einfach, einen der Chefs an die Strippe zu bekommen.

Kaffee-to-go-Becher sind zum Symbol der Wegwerfgesellschaft geworden. Rund 40.000 Tonnen Einwegbecher fallen jährlich in Deutschland an. Die Berliner Initiative "Better World Cup" will das ändern.

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