″Wir Umweltverbände begrüßen EU-Initiative gegen Plastikmüll″ | Wissen & Umwelt | DW | 28.05.2018

2022-09-17 12:22:08 By : Mr. frank lin

Wir verwenden Cookies, um unser Angebot für Sie zu verbessern. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Die EU will die Entsorgung von Plastikmüll ins Meer bremsen und so etwa 22 Milliarden Euro an Folgekosten für Umweltsünden einsparen. "Wir sehen die Initiative positiv", sagt Abfallexperte Rolf Buschmann vom BUND.

Deutsche Welle: Herr Buschmann. Immer mehr Plastikmüll landet in den Ozeanen. Die EU will jetzt die Ozeane schützen und so hohe Umweltkosten einsparen. Mit Aufklärung, Recyclingquoten, Steuern auf Plastik und auch Verboten soll das Ziel erreicht werden. Wie bewerten Sie diese EU-Initiative?

Buschmann: Prinzipiell ist es ein sehr guter Tag. Es ist gut, dass die EU-Kommission endlich etwas unternimmt. Wir kennen alle das Problem, dass Plastik im Meer landet und dass viele Plastikprodukte überflüssig sind. Dabei geht es um Produkte, die wir entweder überhaupt  nicht brauchen oder die wir durch ökologischere Alternativen ersetzen können.

Wie bewerten Sie die Strategien, die die EU vorschlägt?

Abfallexperte Rolf Buschmann vom BUND

In vielen Punkten sind sie sicherlich gut. Es geht auch um Verbote. Man muss immer schauen wie ein solches Verbot  in der Praxis angenommen wird und an wen es adressiert ist.

Das Gleiche gilt für eine mögliche Plastiksteuer. Grundsätzlich sind Steuern für Umweltschäden nicht schlecht. Ich halte es allerdings für falsch, wenn die EU sagt, dass alle Mitgliedsstaaten 80 Cent pro Kilogramm für nicht recyceltes Plastik bezahlen. Wir wünschen uns hier eine differenzierte Herangehensweise. Wir müssen optimale Strategien entwickeln, damit überhaupt recycelt werden kann.

Was würde die EU-Strategie verändern wenn sie umgesetzt wird, wie vorgeschlagen?

Der Konflikt um die  Einwegverpackungen würde  in vielen Punkten deutlich entschärft. Es gäbe mehr Produkte ohne Kunststoffe und hoffentlich Materialien, die einfacher und  besser recycelt werden können  oder zumindest  Materialien, die die Umwelt weniger stark belasten.

Die Coffee to-go-Becher, die to-go Produkte in den Supermärkten, die Einwegverpackungen in Fast-Food-Restaurants, sind in der jetzigen Form dann nicht mehr zulässig und da muss sich entsprechend etwas ändern.

Reicht das, um die Entsorgung von Kunststoffen ins Meer zu reduzieren?

Es würde sicherlich die Kunststoffe reduzieren, die von  der EU ins Meer gelangen. Aber große Mengen an Plastik gelangen aus ärmeren Ländern ins Meer. Wir müssen also auch global weitere Schritte unternehmen, um dort Lösungen zu finden.

Wie kann man sich ein gutes System vorstellen, mit dem Plastik reduziert wird?

Sicherlich ist es ein System, bei dem Pfand auf Produkte erhoben wird. Wenn ich eine Flasche oder einen wiederverwertbaren Kaffeebecher benutze, dann kann ich den auch überall auch wieder zurückgeben.

Eine zweite Möglichkeit ist eine andere Art der Verpackung und der Produkte: Sind die verwendeten Stoffe wirklich recyclingfähig? Sind dort Schadstoffe enthalten, die nachher mühsam als Gefahrenstoff entsorgt werden muss? Wir brauchen einfache Lösungen und  wir müssen vor allen Dingen die Hersteller stärker in die Pflicht nehmen. Sie müssen die Produkte so gestalten, dass sie ökologisch sind, recyclingfähig oder auch wiederverwendbar.

Beim Waschen gelangen Kunstfasern aus unseren Textilien ins Abwasser und dann ins Meer. Dieses Thema hat die EU nicht thematisiert. Was wäre hier die Lösung?

Auch  bei  den Textilien müssen wir  ökologischer werden. Wir müssen über entsprechende Rücknahmemöglichkeiten in Betracht ziehen, die Produkte optimieren, so dass  weniger Fasern freigesetzt werden. Wenn uns das nicht gelingt, dann müssen wir eben neue Filter in unsere  Waschmaschinen einbauen, die diese Fasern zurückhalten.

Rechnen Sie damit, dass die Vorschläge der EU durchkommen?

Wir als Umweltverband begrüßen das Vorhaben der EU. Unsere Sorge ist natürlich, dass  die Lobby der entsprechenden Industrie groß ist und Druck auf die Mitgliedsstaaten ausübt. Wir hoffen, dass der EU-Vorschlag weitgehend umgesetzt wird.

Immer mehr Plastik landet im Meer. Glauben Sie, dass dieser Trend gebremst oder sogar umgekehrt werden kann?

Ich wäre froh, wenn es in den nächsten zehn Jahren zu einer Trendwende käme.  Aber ich glaube eher, dass die Trendwende mit weltweit annehmbare Lösungen und Konzepte noch 30 Jahre dauert. Da müssen wir  noch viel Arbeit leisten.

Für Europa stehen die Zeichen gut, dass wir in den nächsten Jahren eine deutliche Reduktion von Plastik erreichen können.

Dr. Rolf Buschmann ist Chemiker und seit 2013 Abfallexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND. Zuvor war er Referent für Umwelt- und Gesundheitsschutz der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und Wissenschaftler beim KATALYSE Institut für angewandte Umweltforschung.

Das Interview führte Gero Rueter

Mikroplastik sind kleine Kunsstoffteilchen. Sie sind kleiner als fünf Millimeter und werden Produkten zugesetzt. Auch entsteht Mikroplastik beim Zerfall von Plastikmüll, und durch Abrieb, beim Wäschewaschen und Autofahren.

Einigen Herstellern ist es egal, viele Menschen wissen es nicht: Die kleinen blauen Punkte sind winzige Plastikkügelchen. Sie scheuern beim Zähneputzen und sollen bei der Reinigung helfen. Später landen diese Kügelchen mit großer Wahrscheinlich im Meer. Kläranlagen können Mikroplastik meist nicht herausfiltern.

Plastikkügelchen in Peelings oder Duschgel, Mikroplastik als Trübungsmittel. Die Verbraucher werden von den Herstellern nicht richtig informiert, ob Plastik und synthetische Kunststoffe in ihren Kosmetika sind. Umweltschützer und auch Behörden fordern ein Verbot der kleinen Kunststoffe.

Weltweit wird das meiste Mikroplastik durch synthetische Textilien freigesetzt. Rund 60 Prozent der Kleider enthalten Kunstfasern, der Trend zur Nutzung des günstigen Garns geht steil nach oben. Beim Waschen einer Fliesjacke werden bis zu einer Millionen Fasern freigesetzt. In Europa landen laut einer EU-Studie so rund 30.000 Tonnen Synthetikfasern pro Jahr im Abwasser.

Mikroplastik verunreinigt nicht nur Flüsse und Weltmeere - Millionen Menschen nehmen täglich unsichtbare Kunststofffasern schon mit dem Leitungswasser auf. US-Forscher hatten über 150 Leitungswasserproben in Städten aus fünf Kontinenten untersucht und fanden in 83 Prozent der Proben mikroskopisch kleine Kunststofffasern.

Aus dem Abrieb von Kunststoffen wird Mikroplastik. Ein Teil davon gelangt ins Meer. Die größten Mengen stammen von synthetischen Textilien, gefolgt von Autoreifen, Stadtstaub und Fahrbahnmarkierungen. Der Anteil von Mikroplastik aus Köperpflegeprodukten ist im Vergleich gering.

Auch aus Plastikmüll wird Mikroplastik: Eine Tüte braucht bis zu 20 Jahre, eine Plastikflasche bis zu 450 Jahre. Jeder Erdbewohner "verbraucht" im Durchschnitt rund 60 KG Plastik pro Jahr, Nordamerikaner und Westeuropäer sogar über 100 Kg. Rund zwei Prozent der weltweit produzierten Kunststoffe landen im Meer.

Die Plastikflut trifft Tier und Mensch, wie genau, das wissen wir noch nicht. Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen. Klar ist allerdings, dass Plastik und Mikroplastik in allen Mägen landet. Tiere verhungern deshalb zum Teil. Nach bisherigem Wissensstand ist eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen nicht bekannt.

Plastik ist in der Herstellung günstig und im Alltag oft praktisch. Weltweit wird aber auch zunehmend darüber nachgedacht, was die Politik tun kann: Tüten, Einwegbecher und Mikroplastik in Kosmetika verbieten, eine Pflicht zum Recycling einführen oder eine Plastiksteuer? Am besten ist aber: Selbst freiwillig auf umweltfreundliche Alternativen zurückgreifen.

Die EU plant ein Verbot für bestimmten Plastikmüll, doch die deutsche Umweltministerin will lieber auf Recycling setzen. Sind die Deutschen wirklich so gut im Umweltschutz wie sie denken? (28.05.2018)  

Im arktischen Meereis wimmelt es nach neuen Erkenntnissen von winzigen Plastikpartikeln. Zum Teil wurden bei Tests mehr als 12.000 Mikroplastikteilchen pro Liter Meereis gefunden. (25.04.2018)  

Die Ergebnisse einer neuen, weltweit durchgeführten Mikroplastik-Studie bergen eine gewisse Ironie: In Flaschen abgefülltes Trinkwasser ist oft verunreinigt - möglicherweise durch die Flaschen selbst. (14.03.2018)  

Wie wäre es mit etwas Plastikbeilage zum Fischgericht? Könnte sein, dass Sie die schon zu sich nehmen, auch wenn Sie nicht wollen. Die Wissenschaft versucht zu verstehen, wie gefährlich die Stoffe für den Menschen sind. (08.06.2017)  

Plastik ist beliebt. Es ist in Kleidung, Reifen und Verpackung. Doch zwei Prozent der globalen Produktion landen im Meer. Muscheln und Fische essen Plastikteile und später auch wir Menschen. Experten sind besorgt. (21.07.2017)  

Umweltschmutzung verkürzt unser Leben. Auf dem UN-Gipfel in Nairobi beschlossen deshalb über 100 Minister Maßnahmen für eine nachhaltige Produktions- und Lebensweise mit weniger Schmutz durch Plastik und Chemie. (07.12.2017)  

Viele trinken ihren Kaffee im Becher zum Mitnehmen, anschließend wandert dieser dann in den Müll, rund 320.000 Becher pro Stunde in Deutschland. Diese Müllflut soll mit Mehrwegbechern abnehmen. Werden sie zum Trend? (31.01.2017)  

Winzige Partikel, Tüten, Flaschen: Wenn Plastik im Ozean landet, schadet es Tieren und Umwelt. Aber wie viel Plastik landet eigentlich dort, und woher kommt es? Wir fassen Problem und Lösungen zusammen. (30.12.2016)  

In der philippinischen Hauptstadt Manila türmen sich die Müllberge. Die Natur ächzt unter dem angesammelten Plastik. Gleichzeitig sind viele Menschen von den Abfällen abhängig - ihr Lebensunterhalt hängt davon ab. (29.04.2018)  

Zwei Drittel aller Ziele, Plastikmüll zu reduzieren, scheitern oder werden fallen gelassen. Das zeigt eine exklusive DW-Recherche. Eine konsequentere Umweltpolitik könnte helfen, das Problem zu lösen.

Im Roten Meer droht ein veralteter jemenitischer Tanker mit Millionen Liter Öl auseinanderzubrechen. Die UN versuchen die drohende Katastrophe abzuwenden, stoßen aber auf ökonomische und politische Schwierigkeiten.

Aus Umweltschutzgründen ist in Indien ein weitreichendes Verbot für Einwegplastik in Kraft getreten. Die Maßnahme soll dazu beitragen, die anfallenden Müllberge massiv zu reduzieren.

© 2022 Deutsche Welle | Datenschutz | Erklärung zur Barrierefreiheit | Impressum | Kontakt | Mobile Version