ZEIT Magazin Online

2022-09-10 13:14:10 By : Mr. Sam Chow

Pappbecher voller geschmolzenem Vanilleeis stehen auf dem Esstisch. Dazwischen: Verkostungsbögen, die vom unterschiedlichen Geschmack meiner Gäste zeugen. Eine Freundin und ein Freund sind an diesem heißen Julinachmittag zu Besuch, samt ihrer beiden Kinder. Gemeinsam gehen wir einer Frage nach, die jeden Sommer aufs Neue ungeahnte Gipfel der Relevanz erklimmt: Was macht Vanilleeis aus Discounter , Bio- und Supermarkt zu gutem Vanilleeis? Und welche der gängigen Marken schmecken am besten?

Eigentlich vertraue ich meinen Freunden in Geschmacksfragen. Aber als sie eine Marke, die zu meinen Favoriten zählt, gnadenlos runterpunkten, bin ich überrascht. Unser unterschiedliches Urteil zwingt uns, genauer darüber nachzudenken, was es bei Industrieeis überhaupt zu schmecken gibt. Vielleicht knacken wir so das Geheimnis hinter der Leibspeise der Deutschen, die im Durchschnitt mehr als 100 Kugeln Speiseeis pro Kopf und Jahr verdrücken – am liebsten die cremefarbene bis gelbe Sorte mit den kleinen schwarzen Krümelchen und dem hübschen Namen "Vanille".

In der Woche vor unserer Verkostung helfe ich in Sachen Speiseis-Statistik kräftig nach. Zwölf Packungen schaffe ich aus Discountern, Supermärkten und Bioläden in meine Wohnung. Knapp neuneinhalb Liter, umgerechnet etwa 320 Kugeln Eis. Wobei die Sache semantisch komplexer ist, als man es erwarten sollte. Auf keinen zwei Packungen steht dieselbe Produktbezeichnung, mindestens im Bindestrich unterscheiden sie sich immer. Heraus kommt zwölfmal Supermarkt-Poesie: "Bourbon Vanilleeiscreme", "Bourbon-Vanilleeiscreme", "Vanille Eiscreme" und mein persönlicher Favorit: "Bourbon-Vanilleeiskrem".

In den "Leitsätzen für Speiseeis" der deutschen Lebensmittelbuch-Kommission erfährt man, was sich hinter den Bezeichnungen verbirgt. "Speiseeis", so steht es dort, "ist eine durch einen Gefrierprozess bei der Herstellung in einen festen oder pastenartigen Zustand gebrachte Zubereitung, die gefroren in den Verkehr gebracht wird und dazu bestimmt ist, in diesem Zustand verzehrt zu werden." Das entscheidende Wort in diesem Satz ist "Zubereitung". Denn man kann natürlich ganz unterschiedliche Zutaten verrühren. Ein Wassereis lässt sich einfach herstellen: indem man höchstens 88 Prozent Wasser und mindestens 12 Prozent Trockenanteil, etwa Zucker und Aromazutaten, miteinander gefrieren lässt. Deutlich komplizierter wird es bei der Eiscreme . Die muss zwar immer auf den natürlichen Grundzutaten Milch und Milchfett basieren – was außer den beiden veganen Marken, die wir testen wollen, alle Sorten tun. Nur Cremissimo von Langnese enthält zusätzlich günstiges Kokosfett, deshalb darf nur "Eis", nicht "Eiscreme" draufstehen.

Eiscreme ist aber nicht gleich Eiscreme. "Milcheis" zum Beispiel steht nur auf einer Packung. Das bedeutet, dass mindestens 70 Prozent Milch in ihr steckt. Sahneeis dagegen muss auf einen Sahneanteil von 18 Prozent kommen – Cremeeis wiederum gleichzeitig mindestens 50 Prozent Milch und pro Liter 90 Gramm Eigelb enthalten. Doch die Theorie hilft einem vor dem Tiefkühlregal im Supermarkt nicht weiter. Ein Eis kann gleichzeitig Eiscreme, Cremeeis, Milcheis und Sahneeis sein. Was die Hersteller am Ende draufschreiben, können sie sich aussuchen. Wie viel der einzelnen Zutaten prozentual in einer Packung stecken, müssen sie nicht verraten. Auch wenn es große Unterschiede zwischen den Rezepturen gibt. Wie sonst ließen sich die Preisunterschiede erklären? 460 Milliliter Häagen-Dazs Vanilla Eis zum Beispiel kosten 5,99 Euro. 500 ml Bio-Vanille-Eis von Dennree bekommt man schon für 2,49 Euro. Und die 1-Liter-Packung Gelatelli Bourbon Vanille von Lidl kostet bloß 1,49 Euro. Am Ende hilft nur: probieren.

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Damit alle dieselben Startbedingungen haben, kommt jeder Eisbehälter aus dem Gefrier- zunächst für 20 Minuten in den Kühlschrank. Dort taut das gefrorene Eis gleichmäßiger und sanfter an als bei Zimmertemperatur. Das klappt übrigens bei jedem Eis.

Dann gebe ich jeweils eine Kugel in jeden Verkostungsbecher und nummeriere die Becher durch. Einer meiner Mitverkoster tauscht die Nummern anschließend noch einmal durch. Am Ende weiß niemand mehr, welche Eiscreme in welchem Becher steckt. Wir können es nach der Verkostung aber mithilfe zweier Listen rekonstruieren, in die wir die Nummern eingetragen haben. Ein wissenschaftliches Setting ist das noch lange nicht, aber immerhin.

Was mir sofort auffällt: Bei der Konsistenz tun sich Welten auf. Das Gros der Eiskugeln fühlt sich schon unterm Löffel unnatürlich an. Zum Teil ist der Eindruck recht subtil: Die Eiscreme ist weicher und luftiger, als ich es zum Beispiel von meinem selbst gemachtem Vanilleeis gewohnt bin, und hält doch trotzdem intensiver zusammen. Im Extremfall wirkt das Eis regelrecht glitschig. Etwa beim Cremissimo von Langnese und beim Mucci von Aldi-Nord notiere ich mir das, am schlimmsten ist es aber bei den veganen Sorten auf Basis von Kokosmilch und Reis beziehungsweise Cashewnuss. Die haben nicht nur eine unangenehm gräuliche Farbe, sie kriegen es auch irgendwie hin, auf dem Löffel fast bröckelig auszuschauen, aber sofort zu verpappen, wenn man sie sich in den Mund schiebt. Ein Wunder ist das nicht. Bloß Chemie.

Schon seit mindestens 3.000 Jahren essen Menschen Eis. Als Erstes kam man wohl in China auf die Idee, Büffelmilch mit anderen Zutaten im Schnee gefrieren zu lassen. In der Antike experimentierten Menschen in Persien, Rom und Griechenland mit der Technik. Die ersten erhaltenen Rezepte für Zubereitungen aus Wasser und Sahne sollen Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich entstanden sein. Bereits knapp 100 Jahre später fand man dort heraus, dass die Konsistenz solcher Eismassen besonders gut gelingt, wenn man sie beim Gefrieren regelmäßig umrührt. Noch heute liegt darin das Prinzip jeder Eismaschine: Von außen wird gekühlt, in der Mitte zieht ein Rührarm seine Bahnen und mischt die Masse durch. In den Eisfabriken der Industrie passiert das Gleiche. Nur mit mehr Volumen.

ich ziele mein selbstgemachtes vanilleeis vor.

dazu braucht man zwar etwas zeit und eine gute eismaschine (wichtig: mit kompressor), aber geschmacklich einfach nochmal eine andere nummer und vor allem immer wieder abwandelbar.

man nehme: 4 eigelb, ein ei und schlage diese im wasserbad mit ca. 3 el zucker schaumig, so dass sich das volumen ca. verzehnfacht. dauert einige minuten, geht wunderbar mit einem schneebesen am handrührgerät. man koche in dieser zeit 200ml sahne und ca. 100ml milch mit dem ausgekratzten mark einer vanilleschote (und der vanilleshote selbst) auf und schütte das ganze dann (vanilleschote dann rausnehmen) langsam in die eimasse und schlage diese noch etwas weiter. das ganze dann in die eismaschine und warten.

jahreszeitliche abwandlungen gehen immer, z.b. vor weihnachten mit lebkuchengewürz, im herbst/winter mit zimt, schokostreusel, einige spritzer espresso, etc.

wer es schokoladig mag, der nimmt nur 1/4 vanillestange und gebe 100g 70%ige schokolade in die sahne.

Wir nehmen nur 1 Eigelb und köcheln die Sahne- Milch auch lange (das verhindert die Kristallbildung) . Das Ergebnis wird wie ihres sein - köstlich.

"Persönlich würde ich deshalb immer zur Marke mit dem tierfreundlichsten Bio-Siegel greifen" – bingo! Da frage ich mich nur, warum dann nur ein nicht-veganes Bio-Eis getestet wurde? Es gibt ja genügend Alternativen, die vielleicht besser schmecken: HofEis (ganz sicher!), Sandro's (länger nicht gegessen, aber auch ziemlich sicher), Schrozberger... Wie wär's mit einer zweiten Runde?

Leute die Vanilleeis als Lieblingssorte deklarieren sind meiner persönlichen Erfahrung nach auch die gleichen die unter Artikeln zum Thema Drogen jedesmal kommentieren müssen, dass Yoga/Spaziergänge/Kaffee ihre Droge ist.

Vielen Dank für diesen lecker erarbeiteten Artikel. Doppelblindverkostung kann auch Spaß machen! Besonders wichtig erscheint der Hinweis mit dem Luftanteil, branchenintern als "Aufschlag" bezeichnet. Der Autor ist dann aber in seiner Tabelle in die gleiche Falle getappt wie viele Verbraucher und hat die Preise per Volumen angegeben.

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