Coffee to go: Bäcker bereiten sich auf Mehrwegpflicht vor - dhz.net

2022-08-20 13:27:28 By : Mr. Jinchao Wang

Den Coffee to go soll es bald nicht mehr nur im kunststoffbeschichteten Einwegbecher geben. Ab 2023 gilt eine Mehrwegpflicht für Speisen und Getränke zum Mitnehmen. Denn jeden Tag entstehen in Deutschland allein durch sie rund 770 Tonnen an Verpackungsmüll. Viele Bäckereien bereiten sich jetzt auf die neue Pflicht vor – mit ganz individuellen Lösungen oder indem sie sich großen Pfandsystemen anschließen.

Wer bei Bäckermeister Steffen Mahl regelmäßig einen Kaffee zum Mitnehmen kauft, kann ihn seit März dieses Jahres aus dem Stöckle-Becher trinken – Coffee to go im Pfandbecher. Schon seit vielen Jahren hat die Bäckerei Stöckle aus Bietigheim-Bissingen, deren Geschäftsführer Steffen Mahl ist, ein eigenes Bechersystem. Allerdings anfangs mit einem Alubecher, den der Kunde bei ihm kaufen konnte. Bei jedem Befüllen des Bechers sparte der Kunde dann 20 Cent im Vergleich zum Kaffeekauf im Einwegbecher. Den Rabatt gibt es auch weiterhin, um einen Anreiz zu schaffen, die Mehrwegvariante zu nutzen. Doch zufrieden war der Bäckereichef nicht mit der Qualität der Becher. Langlebiger sollten sie sein. Außerdem wollte er es mit einem Pfand kombinieren, so dass der Kunde den Becher nicht selbst spülen muss. Deshalb hat er sein bäckereieigenes Bechersystem neu aufgelegt.

Nun gibt es also den Stöckle-Becher, auf den die Kunden vier Euro Pfand bezahlen und immer wieder füllen lassen können. Bei jeder Füllung erhalten sie einen frischen Becher im Tausch. "Nur den Deckel dafür kauft man einmalig für 2,50 Euro und kann ihn dann immer wieder nutzen", erklärt der Bäckermeister. Mit dem Deckel bekommt man allerdings einen Kaffee gratis, so dass er eigentlich nichts kostet, aber eine Kundenbindung schafft. "Wir geben im Prinzip den gesparten Einwegbecher an den Kunden weiter, weil es uns wichtig ist", formuliert es Steffen Mahl. Der neue Stöckle-Becher ist zwar aus Kunststoff, aber dieser ist robust und bleibt lange im Kreislauf.

Die Bäckerei hat sieben Filialen und viele Stammkunden. Bislang nutzen nur wenige die Pfandbecher. Steffen Mahl rechnet vor, dass gerade diejenigen, die sich jeden Tag einen Kaffee holen, langfristig sparen würden, wenn sie den Stöckle-Becher dabeihätten. "Wir geben dann nämlich einen Umweltbonus von 20 Cent auf jeden Coffee to go", erklärt er, warum der Preis für den Deckel dann schnell wieder reingeholt wäre und der Kaffee im Einwegbecher teurer ist. An den Becher zu denken, sei vielen aber dennoch zu umständlich, sagt Mahl, der die Mehrwegpflicht deshalb für sinnvoll hält und sogar der Meinung ist, dass wahrscheinlich nur ein Verbot der Einwegvariante wirklich dazu führt, dass sich etwas ändert.

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks kritisiert dagegen, dass die Politik sich mit den neuen Vorgaben zur Mehrwegpflicht einmischt und nicht stärker auf eine langfristige Änderung des Verbraucherverhaltens setzt. "Wir halten die Änderungen des Verpackungsrechts für nicht zielführend. Es entstehen für die Bäckereien zu erheblichen Mehrkosten", sagt dazu Daniel Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands. Da die Kritik der Wirtschaft im Gesetzgebungsverfahren allerdings ungehört blieb, "gilt es nun mit den neuen Vorschriften zu leben und praktikable Lösungen zu finden", fügt er hinzu. Der Zentralverband prüft derzeit, welche Mehrwegsysteme empfehlenswert sind und ob man den Innungsbäckern sogar ein einheitliches System anbieten kann. Ziel sollte es sein, eine möglichst breite Akzeptanz eines Systems zu schaffen und Insellösungen zu vermeiden. Denn nur dann werde sich Mehrweg bei den Verbrauchern durchsetzen.

Obwohl bis zum Inkrafttreten der Mehrwegpflicht im Jahr 2023 noch Zeit ist, seien die geänderten Regeln im Verpackungsbereich schon jetzt ein großes Thema im Bäckereihandwerk. Sie geben vor, dass Betriebe, die Waren zum Mitnehmen verkaufen, ab 2023 dazu verpflichtet sind, der Kundschaft neben Einwegverpackungen für Speisen und Getränke auch eine Mehrwegalternative anzubieten. Diese Alternative darf nicht teurer sein als die Einwegvariante. Ausnahmen gibt es für Betriebe mit einer Verkaufsfläche unter 80 m2 und wenn sie nicht mehr als fünf Mitarbeiter haben. Sie sollen ihre Kundschaft aber gezielt darauf hinweisen, dass sie eigene Behälter mitbringen, in die Speisen und Getränke gefüllt werden. Umstritten ist noch, ob es auf die Verkaufsfläche der einzelnen Filiale oder die Summe aus allen Filialen ankommt. Der Gesetzestext ist insoweit nicht eindeutig, weshalb der Zentralverband hier auf eine günstige Klarstellung drängt.

Für Steffen Mahl war es eine grundsätzliche Entscheidung, schon vor Jahren eine Mehrwegalternative anzubieten. Beim Aufwand und den Kosten dafür, rechnet er dennoch genau und hat sich deshalb nicht dafür entschieden, sich einem der großen Anbieter anzuschließen, sondern ein eigenes Pfandsystem aufzubauen. "Die Lizenzgebühren klingen erst einmal nicht hoch, aber wenn ich das jeden Monat für jede einzelne Filiale zahlen muss, kommt doch einiges zusammen", sagt der Geschäftsführer der Stöckle-Bäckerei. Außerdem sagte ihm die Qualität der Becher nicht zu und er wollte das firmeneigene Logo auf die Becher drucken lassen können.

Viele andere Bäcker wollen sich genau diese Arbeit beim Marketing und dem Suchen nach passenden Behältnissen sparen und schließen sich deshalb Systemen wie Recup (siehe Infokasten unten) an. Öffentlichkeitsarbeit für die Mehrwegbecher ist dabei inklusive, allerdings nicht individuell gestaltbar. Bis die Mehrwegpflicht gesetzlich greift, wird sich der Markt der Anbieter sicherlich noch breiter aufstellen und Bäckereien werden mehr eigene Lösungen entwickeln. Steffen Mahl plant derzeit eine Mehrwegalternative für seine Tagesessen und Salate, die er zum Mitnehmen anbietet – ähnlich der Bowls von Recup, wie er selbst sagt. „Wir müssen uns auf die Mehrwegpflicht vorbereiten und noch ist Zeit, in Ruhe passende Lösungen zu finden“, sagt der Bäckermeister, dem die lange Haltbarkeit der Schüsseln und Becher wichtig ist.

Passende Lösungen für die Mehrwegpflicht werden aus Sicht von Daniel Schneider genauso unterschiedlich sein, wie die Strukturen des Bäckerhandwerks selbst. "Es wird vermutlich leider nicht ein flächendeckendes Pfand-Mehrwegsystem geben", sagt er und verweist darauf, dass es zwar schon deutschlandweite Mehrwegsysteme gibt, die die gesetzlichen Forderungen zu erfüllen. Allerdings seien diese oft auch kostenintensiv und nicht für jede Bäckerei geeignet. "Einige Bäcker dürften ein Platzproblem bekommen, da ihre Verkaufsflächen sehr klein sind, um etwa die benutzte Mehrwegbecher zu lagern", gibt der Hauptgeschäftsführer zu bedenken zur neuen Mehrwegpflicht.

Dies wird auch im nächsten Schritt relevant, die das Verpackungsgesetz von denjenigen fordert, die Coffee to go oder andere Getränke für unterwegs anbieten. Denn in einem der weiteren Schritte wird der Einwegbecher aus Kunststoff gänzlich verboten. Die derzeit üblichen Kaffeebecher aus Pappe sind in der Regel mit einer ganz dünnen Kunststoffschicht beschichtet, damit sie nicht sofort durchnässen. Genau diese Becher dürfen auch langfristig nicht mehr genutzt werden. Schon seit 3. Juli 2021 müssen sie eigens als "Einwegprodukte" mit einem Aufkleber gekennzeichneten werden.

"Es gibt, soweit es uns bekannt ist, bislang noch keine Pappbecher, die ohne Kunststoff beschichtet sind und trotzdem verlässlich halten", sagt Daniel Schneider. Für Kunden, die weiterhin Einweg wünschen, weil Sie etwa auf Reisen sind, gäbe es also noch keine Lösung. Schneider fasst die aktuelle Lage deshalb mit kritischen Blick zusammen: "Es ist vieles noch im Fluss und in den kommenden Monaten wird sich herauskristallisieren, wie das Bäckerhandwerk – und auch andere Händler – auf die neue Situation reagieren."

Vielfach wird deshalb derzeit auch über Einwegverpackungen diskutiert, die ohne Plastik auskommen. Doch diese erwecken oft den Anschein ökologischer zu sein, als sie es in Wahrheit sind. So hat etwa der Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Zusammenstellung veröffentlicht, die zeigt, dass etwa Verpackungen aus theoretisch kompostierbaren Kunststoffen meist im Verpackungsmüll landen oder über den Restmüll entsorgt werden. Sie werden nicht getrennt gesammelt und auch ihre Kompostierbarkeit kann nur in Kompostwerken erreicht werden und nicht auf dem heimischen Komposthaufen. Außerdem ist die Herstellung der Kunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen noch sehr energieintensiv.

Abseits der neuen sogenannten Agrokunststoffe und den daraus hergestellten Verpackungslösungen und auch abseits der großen Mehrwegsystem gibt es aber auch noch Lösungen, die vermeintlich am einfachsten umzusetzen sind: das Nutzen von privaten Mehrwegbechern, also dass diejenigen, die einen Coffee to go kaufen, ihre eigene Tasse mitbringen und befüllen lassen. Steffen Mahl etwa würde sich wünschen, dass es irgendwann ganz normal ist, dass jeder Kunde der unterwegs Kaffee trinkt seinen eigenen Mehrwegbecher dabei hat. "Die Hygienevorgaben zum Befüllen können wir problemlos einhalten, da sehe ich kein Problem", sagt er. Diese sind weniger kompliziert, als manch einer denkt – und auch in Zeiten der Pandemie möglich.

Zwar ist das Nutzen der kundeneigenen Becher in Zeiten von Corona etwas in den Hintergrund gerückt, aber es ist dennoch die nachhaltigste Lösung. Während der Pandemie war es allerdings offiziell nie verboten, kundeneigene Mehrwegbecher zu befüllen. "Die meisten Bäckereien haben aber – auch auf unsere Anraten – zunächst darauf verzichtet, da anfangs noch nicht klar war, wie die Infektionswege sind", bestätigt auch Daniel Schneider. Da sich die Infektionslage derzeit entspannt, steht den Bäckereien aber nichts im Weg, wieder kundeneigene Behältnisse anzunehmen.

In vielen Bäckereien wird davon eigentlich schon lange rege Gebrauch gemacht. Zu beachten sind dabei – ganz unabhängig von der Corona-Lage – ein paar hygienerechtliche Vorgaben. Halten Bäckereien diese ein, steht dem Abfüllen von Kaffee, Tee, Kakao und anderen Getränken in mitgebrachte Becher nichts im Weg. Weder das nationale noch das europäische Lebensmittelrecht verbieten das Befüllen von mitgebrachten Mehrwegbechern mit Heißgetränken.

Der Bäckerverband verweist in diesem Zusammenhang auf drei Merkblätter zu Hygienevorgaben des Lebensmittelverbandes, die er mitverfasst hat. Sie fassen kurz und knapp die wichtigsten Punkte für das Befüllen von kundeneigenen Mehrwegbechern zusammen. Diese Merkblätter gelten nach Angaben des Verbandes im Sinne des Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 als anerkannte wirtschaftsseitige Leitlinie der Guten Verfahrenspraxis und stellen eine bundesweit einheitliche Orientierung für die Lebensmittelkontrolle dar.

Die Empfehlungen sehen unter anderem vor, dass...

Die Merkblätter des Lebensmittelverbands können hier heruntergeladen werden.>>>

Schon im Jahr 2016 startete das Unternehmen Recup und ist mittlerweile das größte Pfandsystem für Coffee-to-go in Deutschland. Auch viele Bäckereien gehören zu den rund 8.500 Aus- und Rückgabestellen.Doch was müssen Betriebe tun, wenn sie mitmachen wollen und welche Kosten kommen auf sie zu? Greta Mager von der Pressestelle des Mehrweganbieters beantwortet die Fragen:

Was müssen Bäckereien tun, wenn sie sich dem Recup-System anschließen wollen?

Mitmachen kann jeder, der Interesse hat. Ãœber verschiedene Wege kann man mit uns in Kontakt treten und sich beraten lassen. Dafür gibt es drei Möglichkeiten: 1. Ein Lead-Formular auf unserer Webseite ausfüllen, wo man dann nochmal Infos erhält und einer unserer Mitarbeiter Kontakt aufnimmt. 2. Bei uns anrufen unter 089/339844-100 und sich direkt anbinden oder 3. Mail an mitmachen@recup schreiben und von unserem Sales Team angerufen werden. 

Welche Kosten kommen dann auf eine Bäckerei zu?

Pro Filiale zahlt die Bäckerei eine monatliche Systemgebühr, die je nach Laufzeit zwischen 25 und 45 Euro liegt. Die Becher leihen sich die Ausgabestellen bei uns gegen ein Euro Pfand pro Becher. Sie geben die Becher dann auch wieder gegen ein Euro Pfand an die Kundschaft aus, daher handelt es sich hierbei nicht um Kosten sondern einen durchlaufenden Posten. Die Becher können auch von der Bäckerei jederzeit wieder gegen das hinterlegt Pfand eingelöst werden. Neben den Bechern gibt es übrigens auch verschiedenen Mehrweg-Pfandschalen – die Rebowls. Bei Bedarf können sich die Bäckereien ohne Mehrkosten auch Schalen bei uns leihen und diese im Laden als Mehrwegalternative einsetzen. 

Wer spült die Recup-Becher?

Aktuell ist es bei all unseren Ausgabestellen Voraussetzung, dass die Stelle eine Spülmaschine hat. Die Becher werden dort von unseren Partnern wie normales Geschirr gespült und wieder an den nächsten Kunden ausgegeben. Wir testen aber aktuell in einigen Städten schon eine externe Spül Logistik, um auch Betriebe ohne Spülmöglichkeit in Zukunft versorgen zu können. 

Welche Lagerfläche müssen Bäckereien einkalkulieren für die Becher?

Das kommt natürlich ganz drauf an wie viel Coffee-to-go und in wie vielen Größen Kaffee ausgegeben wird. Da die Becher aber stapelbar sind, nehmen sie sehr wenig Platz in Anspruch. Hierbei sind sie sehr ähnlich wie Einwegbecher.

Infos zu den Recup-Pfandbechern gibt es hier.>>>

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